Torsten Kriese; Speculum VI, Carmen frontalis
...Stund' um Stund' wohl ich gewacht,
...des Tages an der Erde,
...mit Sehnsucht wartend auf die Nacht,
...ich Dir dann folgen werde...
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… Abend im catlab-Designstudio...
Muehlhausen im Oktober 2012...
Muehlhausen im Oktober 2012...
Eine schwarz-glaenzende Kiste funkelte erhaben im Bilde des catlab-Spiegelwerkes VI.
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Rhythmische Erhabenheit und der Wohlklang der zusammengefuegten Silben schienen hier- wie immer vom catlab erwartet- auf die Spitze getrieben worden zu sein. Die Steine strahlten einen sanften Schein aus, zu gering, um die Umgebung zu erhellen, aber dennoch durchaus wahrnehmbar.*
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Marc Silva entnahm die Platten so vorsichtig wie immer und platzierte sie in der richtigen Position.
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Marc Silva entnahm die Platten so vorsichtig wie immer und platzierte sie in der richtigen Position.
Wie oft hatte er das gleiche Ritual schon vollzogen, immer um eine fast unscheinbare Nuance veraendert.
Ein paar wenige Male hatte er dabei fuer kurze Momente den Eindruck, er haette sich dem Ziele auf fuehlbare Weise genaehert. Dann hatten die Platten leise angefangen, mit sanften und hohen Toenen alles rundum zu umschmeicheln. Immer zu diesen Zeitpunkten hatte Marc mit allen erdenklichen Mitteln versucht, das Leuchten zu verstaerken, das Summen zu klaren und strukturierten Toenen erstehen zu lassen....
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Und einmal, ein einziges Mal, hatte es den Anschein gehabt, es wuerde richtig funktionieren, genau so, wie es in den alten Legenden schon beschrieben war.... in den Legenden um die Tria, welche Marc vor Jahren entdeckt und entschluesselt hatte....
Damals war er durch einen Zufall auf die richtigen Seiten gestoßen, unlesbare Beschreibungen, verziert mit Skizzen und Bildern und erst viel spaeter, als es zu einem Glaube an Zufaelle schon lange zu spaet war, sollte ihm ein Ereignis beim Entziffern zu Hilfe kommen, Zeichen der Via Signorum..., ein Ereignis so unfaßbar.... in jedem Falle hatte es ihm als Skala und Richttabelle gute Dienste geleistet, und er war beim Entschluesseln um wesentliche Teile vorangeschritten.
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Und dieses eine Mal, als er die zu singenden Silben genau an der richtigen Stelle, in der exakt formulierten Lautstaerke und mit den genau eingefuegten Versmaßen ueber den Steinplatten erklingen lassen hatte, war er sich sicher gewesen, es geschafft zu haben.
Doch je war der Versuch zum Abbruche gekommen. Das Flimmern erstarb damals urploetzlich, alles Surren, Rauschen, alle hintergruendigen und feinen Toene waren schlagartig erstorben.
Unmittelbar nach diesem Ereignis hatte er sich zum Ziele gesetzt, auch die letzten Grenzen zu ueberwinden und wenn noetig, alle zur Verfuegung stehenden Mittel zu Rate zu ziehen.
Seitdem war Versuch auf Versuch erfolgt, und jedesmal waren die zu beachtenden Parameter etwas verschoben und veraendert worden...
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An unserem hier beschriebenen Abend nun, alles stand wie immer bereit und das Experiment war im klassischen Stadium, in welchem die einzelnen Komponenten normalerweise zu kollabieren begannen, hier nun geschah es... das Flimmern vergroeßerte sich, noch verstaerkt durch das Spiegelwerk im Hintergrunde, ein leises rhythmisches Schlagen war erst ganz leise wahrnehmbar..tactac.., verstaerkte sich und entwickelte sich zu einem konkreten Element, fuegte sich ein in das Spiel des Hintergrundlichtes, spielte und vereinigte sich mit ihm und ploetzlich, auf dem scheinbaren Hoehepunkte, verdichtete sich alles zu einer realen Masse.
Marc konnte den Blick nicht abwenden – Im Zentrum ueber und zwischen den weißen Steinen blitzte eine Gestalt auf, erst kurz nur, dann sich im Klange der rhythmischen Schlaege verfestigend...tactac...tactac...
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Eine reale Gestalt befand sich im Raume, halb schwebend und in Teilen transparent, aber doch ein wirkliches Wesen, unverkennbar weiblich, hoch aufgeschossen, mit hellem Haar, nordisch, eine Kriegerdame, fordernde Blicke um sich werfend...dann, Marc erkennend, verharrend in stolzer Starre. Das leise Klopfen war so deutlich wahrnehmbar, so bekannt....tactac....tactac... Obwohl Marc in hoechstem Maße fasziniert war, hatte er doch genuegend Geistesgegenwart, um auf verschiedene Details zu achten. Die genaue Farbe des Haares, die Augen, funkenspruehend... und da, jetzt wußte er es. Das Klopfen war...Puls... tactac...HERZSCHLAEGE. ….UNERHOERT..... das Wesen vor ihm, ein Wesen, definitiv aus Licht, zumindest im Momente, dieses Wesen hatte Herzschlag! ...oder nein, es waren keine realen Schlaege.. .UNGLAUBLICH... SIE , unverkennbar eine Sie, sie kreierte Herzschlaege. Marc war bis aufs Aeußerste fasziniert! Es...nein, Sie war imstande, Herzschlaege zu simulieren, sie tat es, und das ganz eindeutig fuer ihn...
Langsam konnte er sich aus seiner Erstarrung loesen, es war keine Furcht, es war pure Faszination und außerdem war sich Marc absolut sicher, daß das Lichtweib - das Abbild der kalten, nordischen Kriegerin - zumindest im Momente keine Bedrohung fuer ihn und die Umgebung darstellte.
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Sanft wandte Sie ihm ihren wissenden Blick zu, langsam, ihn schier durchdringend, drehte sich mit unendlicher Geduld in Richtung Spiegelwerk und ueberzog die Glaeser ganz leicht mit einem Hauche ihres Odems. Sie interessierte sich ganz augenscheinlich fuer die blitzenden Flaechen des Glases.
Leichter Schatten zeichnete sich auf der glatten Oberflaeche ab, doch Marc beobachtete weiter gebannt die Erscheinung... es war unverkennbar... SIE war ihm erschienen...
seine Spiegelmuse....
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Leichter Schatten zeichnete sich auf der glatten Oberflaeche ab, doch Marc beobachtete weiter gebannt die Erscheinung... es war unverkennbar... SIE war ihm erschienen...
seine Spiegelmuse....
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Das Ganze jedoch war nicht von laengerer Dauer, und wie Sie in der Lage gewesen war, sich vor seinen Augen zu materialisieren, genauso gaschah jetzt das Gegenteil. Langsam wurde ihr Bild durchscheinend, und Marc hatte das zwingende Gefuehl, daß nichts, ueberhaupt nichts, was er haette tun koennen, daran etwas aendern wuerde. Es war viel mehr als ein Gefuehl, wesentlich intensiver, er wußte es, es stand nicht in seiner Macht - und vielleicht nicht einmal in ihrer....
So begnuegte er sich mit seinen Beobachtungen. Er versuchte alles rundum in sich aufzunehmen, jedes Geraeusch, jeden Duft, alle Bewegungen und Lichtstrahlen..... alle Eindruecke, die so endlos auf íhn einstroemten...immerhin hatte er es mit Ihr zu tun, einer Muse, im Grunde bestehend aus leuchtenden Teilchen, aber dennoch mit der Faehigkeit, reale Materie zu beeinflussen!
Und als sie fast nicht mehr wahrnehmbar war, zumindest mit den Augen, als das rhythmische ...tactac...des gespielten Herzens, das Schauspiel scheinbarer Herzschlaege fast verklungen war, dieses uebermaechtige Symbol des Lebens innerhalb von Zellen aus Fleisch, aus lebendigen Teilchen fuer den Augenblick beendet war, in diesem letzten Moment aenderte sich noch etwas. Marc erkannte es ganz genau, es war unverkennbar, die Farbe der Augen. Hatten sie bis eben noch hell gestrahlt, so wurden sie recht schnell immer dunkler, fast blutig schwimmend. Und im letzten Aufscheinen rollte Ihr eine dunkelrote Traene ueber die kaum noch erkennbare Wange und tropfte auf eine der weißen Steinplatten, hielt sich dort noch in der kleinsten Vertiefung fest.
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Marc schaute sich im Raume um. Er war tatsaechlich wieder allein, einziger Beweis der Anwesenheit seiner Muse befand sich auf der weißen, mit Reimen gefuellten Platte. Er beugte sich ueber dieses Zeugnis, staunend und begreifend, in welchem Umfange sich seine Arbeit ausgezahlt hatte. War er seinem Ziele doch endlich ein entscheidendes Stueck naehergekommen. Er blickte sich um, sein Blick glitt ueber die schwarz glaenzende Kiste, seine Platten der Reime in weißem Stein. An den golden schimmernden Lettern im Spiegelwerk verharrten seine Augen liebevoll, wanderten hoeher und da..... ein Schriftzug auf dem Spiegelglas! Die Muse hatte doch noch etwas hinterlassen, hatte mehr preisgegeben!
Marc schaute sich im Raume um. Er war tatsaechlich wieder allein, einziger Beweis der Anwesenheit seiner Muse befand sich auf der weißen, mit Reimen gefuellten Platte. Er beugte sich ueber dieses Zeugnis, staunend und begreifend, in welchem Umfange sich seine Arbeit ausgezahlt hatte. War er seinem Ziele doch endlich ein entscheidendes Stueck naehergekommen. Er blickte sich um, sein Blick glitt ueber die schwarz glaenzende Kiste, seine Platten der Reime in weißem Stein. An den golden schimmernden Lettern im Spiegelwerk verharrten seine Augen liebevoll, wanderten hoeher und da..... ein Schriftzug auf dem Spiegelglas! Die Muse hatte doch noch etwas hinterlassen, hatte mehr preisgegeben!
Man konnte ein Wort deutlich entziffern ...ch'Jar-Taè ….
Der gefluesterte Hauch ueber das wundersame Spiegelwerk.... UNERHOERT, sie hatte es mit ihrem Namen gesegnet!
... ch'Jar-Taè...
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